BRSG: Paradigmenwechsel mit angezogener Handbremse

Bewertung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) durch den Verband der Firmenpensionskassen e. V. (VFPK)

Mit dem BRSG möchte der Gesetzgeber die betriebliche Altersvorsorge (bAV) durch attraktivere Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärken. Kernelement des Gesetzes ist das Sozialpartnermodell als Tarifrente ohne Garantien.

Wir stellen das BRSG im Folgenden auf den Prüfstand. Wo bringt das neue Gesetz etwas und wo bleibt es hinter seinen Erwartungen zurück?

Sozialpartnermodell für mehr Verbreitung der bAV

Ob das Sozialpartnermodell ein geeignetes Mittel zur Verbreitung der bAV ist, wird sich erst noch in der Praxis zeigen müssen. Denn durch das Sozialpartnermodell sind die Neuerungen des BRSG an Tarifverträge gekoppelt und gelten somit nur für tarifgebundene Unternehmen. Es bleibt offen, wie die nicht-tarifgebundenen Unternehmen in der Praxis einbezogen werden sollen und ob die nicht-tarifgebundenen Unternehmen bereit sind, sich tarifvertraglichen Regelungen anzuschließen. Davon wird der Erfolg des BRSG abhängen, denn es sind gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die selten tariflich organisiert sind.

Ausschluss von Garantiezusagen

Der VFPK hat sich während des Gesetzgebungsverfahrens dafür stark gemacht und begrüßt daher den Ausschluss von Garantiezusagen. Denn dies ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Durchführung der reinen Beitragszusage auch über die sozialpartnerschaftlich organisierten regulierten Pensionskassen und Pensionsfonds erfolgen kann, ohne dass diese Einrichtungen unter ein Solvency-II-ähnliches Aufsichtsregime fallen. Damit schafft das Betriebsrentenstärkungsgesetz gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer.

Die Abschaffung von Garantien ist ein Paradigmenwandel in Deutschland. Sie macht den Weg frei für zeitgemäße bAV-Produkte, die den Gegebenheiten auf den Finanzmärkten gerecht werden. Denn Garantien sind teuer und kosten die Sparer Rendite und damit bares Geld, da ein hoher Anteil der eingezahlten bAV-Beiträge in festverzinslichen (und damit niedrigverzinslichen) Anlagen investiert werden muss. Sie haben bei Lebensversicherern und Versorgungseinrichtungen zu einem ungesunden Asset Mix mit weniger als zehn Prozent in wertschöpfender Kapitalanlage geführt. Eine bAV ohne Garantien kann mehr leisten und damit zu einer besseren Altersversorgung für Arbeitnehmer führen.

Mit der Einführung der reinen Beitragszusage befreit der Gesetzgeber Arbeitgeber von der Haftung für Garantien, die seitens der Arbeitgeber als Hemmnis wahrgenommen wurden. Aus Sicht des VFPK ist dies ein Schritt, um die bAV auch für Arbeitgeber attraktiver zu machen. Abzuwarten bleibt, ob mit der Abschaffung der Garantien die Bereitschaft der Arbeitgeber wächst, die bAV anzubieten.

Doppelte Beitragspflicht noch nicht aus der Welt

Der VFPK begrüßt ausdrücklich die Abschaffung der doppelten Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) in der Auszahlungsphase bei der Riester-Rente in der bAV über Pensionskassen.

Komplizierter ist die Situation der KVdR-Freiheit bei Leistungen aus privat fortgeführten Versorgungsverträgen. Durch das BRSG schien die Beitragspflicht zur KVdR für Leistungen, die auf Einzahlungen aus dem Nettogehalt der Beschäftigten in einen riesterfähigen Vertrag beruhen, aus der Welt geschafft.

Allerdings wurde die Situation durch das BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2017 erneut komplizierter. Denn dies besagt, dass Leistungen aus privat fortgeführten bAV-Verträgen nur dann von der KVdR-Pflicht befreit sind, wenn der Versorgungsberechtigte „mitteilt, dass er die Förderung in Anspruch nehmen möchte“. Und das unabhängig davon, ob der Versorgungsberechtigte diese Zulage tatsächlich möchte. Das ist nicht nur ein umständliches, das ist auch ein schwer vermittelbares Verfahren, das nicht dazu beiträgt, die bAV als einfachen und unkomplizierten Durchführungsweg zu stärken.

Im Zusammenhang mit der Ausdehnung der steuerlichen Freistellung von Beiträgen an Pensionskassen von 4 % auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Renten­versicherung (BBG-RV) wäre eine analoge Behandlung in der Sozialversicherung konsequent gewesen. Die Sozialversicherungsfreiheit bleibt jedoch auf 4 % BBG-RV begrenzt, so dass diese „Androhung“ der doppelten Verbeitragung einen weiteren Ausbau der bAV behindern wird.

Attraktivere bAV für Geringverdiener

Positiv bewertet der VFPK, dass durch das BRSG Geringverdiener mit einem monatlichen Einkommen bis 2.200 Euro stärker gefördert und neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung geschaffen werden. Zahlt der Arbeitgeber mindestens 240 Euro bis maximal 480 Euro als zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur bAV eines Geringverdieners ein, so erhält er 30 Prozent als staatlichen Förderbetrag, somit 72 bis maximal 144 Euro im Kalenderjahr. Der zusätzliche Arbeitgeberbeitrag für Geringverdiener wurde zusätzlich steuerfrei gestellt. Er ist dem Grunde nach auch sozialversicherungsfrei. Da die Sozialversicherungsfreiheit aber insgesamt auf 4 % BBG-RV begrenzt bleibt, wurde die Abwicklung erneut unnötig verkompliziert.

Zusätzlich gilt für Geringverdiener ab 1.1.2018 ein monatlicher Freibetrag von 100 Euro zuzüglich 30 % des diesen Freibetrag übersteigenden Teils bis zu maximal 50 % der Regelbedarfsstufe 1, in dessen Höhe eine Leistung aus der bAV nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet wird. Der Freibetrag von 100 Euro ist sehr zu begrüßen. Er eröffnet damit auch für Geringverdiener die Möglichkeit auf eine lohnende zusätzliche Altersvorsorge. Die Freistellung weiterer 30 % bedeutet umgekehrt die Anrechnung von 70 % der Leistungen und stellt daher keinen Anreiz für eine über 100 Euro hinausgehende Altersversorgung dar.

Substanzielle Erhöhung der Riester-Zulage

Zusätzlich werden Verbesserungen im Bereich der Riester-Rente auf den Weg gebracht. Die jährliche Grundzulage wird von gegenwärtig 154 Euro auf nun 175 Euro angehoben. Es gibt Erleichterungen bei der Besteuerung der Abfindungen von Kleinbetragsrenten. Beim Zulageverfahren werden die Verfahren verbessert, insbesondere durch eine kürzere Frist für die Überprüfung des Zulageanspruchs durch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen.

Fazit

Der Gesetzgeber hat mit dem BRSG viele notwendige Ansätze geschaffen, um die bAV attraktiver zu machen und dadurch zu stärken. Insbesondere für die Förderung von Geringverdienern wurden durch das Gesetz weitere Impulse gesetzt. Zudem nimmt der Garantieverzicht den Arbeitgeber vollständig aus der Haftung. Aus Sicht des VFPK sind dies wichtige Schritte für eine attraktivere bAV. Doch durch das Gesetz wird nun die Verantwortung zur Stärkung der bAV den Sozialpartnern auferlegt. Es muss sich erst zeigen, wie die Sozialpartner mit diesen Gestaltungsmöglichkeiten umgehen werden. Abzuwarten bleibt, ob das Sozialpartnermodell, das letztlich ein Tarifpartnermodell ist, dem Ziel gerecht wird, kleine und mittelständische Unternehmen für die bAV zu gewinnen, da gerade diese Unternehmen häufig nicht tarifgebunden sind.