Im März 2023 haben wir Kenntnis davon erhalten, dass sich voraussichtlich bereits ab 01.07.2023 der Beitrag in der sozialen Pflegeversicherung anhand der Anzahl der Kinder des Versicherten staffeln soll. Diese geplante gesetzliche Neuregelung geht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07. April 2022 (Az. 1 BvL 3/18, 1 BvR 2824/17, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 717/16) zurück. Diesbezüglich hat das BVerfG den Gesetzgeber in seinem Beschluss angehalten, bis spätestens zum 31. Juli 2023 das Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern verfassungskonform auszugestalten.
Der Umsetzungsvorschlag des Bundesgesundheitsministeriums hierzu liegt als Referentenentwurf zum Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) vom 20.02.2023 vor und beinhaltet als wesentlichen Inhalt die Einführung eines Abschlags anhand der Anzahl der vorhandenen Kinder für den gesetzlichen Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 Abs. 3 Satz 3 Nummer 1 bis Nummer 4 SGB XI-Entwurf), konkret reduziert sich der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung ab dem zweiten Kind und für jedes weitere Kind jeweils einen Abschlag von 0,15 Prozent auf den Beitrag in der Pflegeversicherung erhalten. Dieser Abschlag ist ab dem fünften Kind gedeckelt, er kann somit höchstens 0,60 Prozent betragen.
Der Verband der Firmenpensionskassen (VFPK) sieht die Aufgabe und Notwendigkeit für den Gesetzgeber, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen und unterstützt die sozialen Aspekte, die mit dem Gesetzentwurf adressiert werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf führt jedoch vor allem im Hinblick auf die Nacherfassung der Kinderzahl zu einer erheblichen Verkomplizierung bisheriger Abläufe bei den beteiligten Zahlstellen. Es ist mit sehr hohem Personaleinsatz bei den Zahlstellen für die Umsetzung zu rechnen, wenn zur individuellen Erfassung der Kinderzahl pro Versicherten für den gesamten Rentnerbestand eine Abfrage und Auswertung des Rücklaufs vorzunehmen ist.
Dies betrifft bei den im VFPK vertretenen Kassen die individuelle Erfassung der Kinderzahl für jeden einzelnen Rentner, in Summe entspricht dies 350.000 Einzelanfragen und Einzelklärungen. Rentner, die neben der gesetzlichen Rente auch mehrere Betriebsrenten erhalten, müssen die Auskünfte und Unterlagen zur Anzahl ihrer Kinder sowohl an die gesetzliche Rentenversicherung als auch allen Pensionskassen oder sonstigen Trägern der betrieblichen Altersversorgung, von denen sie Leistungen beziehen, mitteilen.
Es sind überdies pro Kind Geburtsnachweise vom Versicherten vorzulegen, die dann von der Zahlstelle individuell geprüft werden müssen. Gerade die Prüfung von ausländischen Geburtsnachweisen dürfte für die Zahlstellen aufwendig werden (ggf. sind Übersetzungen erforderlich).
Hierbei handelt es sich pro Versicherten in jedem Einzelfall um einen manuellen Vorgang und wird in vielen Fällen zu einer intensiven Korrespondenz und Kommunikation mit den Versicherten bzw. im Fall der Firmenpensionskassen vor allem mit den Rentenempfängern führen.
Weiterhin sind für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben technische Anpassungen in den Verwaltungssystemen erforderlich, die kurzfristig bis 01.07.2023 gar nicht umsetzbar sind. Die in § 55 Abs. 3 SGB XI vorgesehene Übergangsfrist erscheint für die Gesamtaufgabe deutlich zu knapp bemessen.
Der vorliegende Referentenentwurf ist aus Sicht der Zahlstellen viel zu spät und auch nur mit einer sehr kurzen Frist zur Stellungnahme an ausgewählte Verbände versandt worden. Einige Verbände. deren Mitglieder durch eine hohe Betroffenheit des vorliegenden Referentenentwurfs gekennzeichnet sind, wie bspw. der VFPK, haben den Referentenentwurf gar nicht vom Bundesgesundheitsministerium direkt erhalten.
Wir möchten aus den oben genannten Gründen daher dringend empfehlen, längere Übergangsfristen zu gewähren. Zur Vermeidung eines ausufernden und in keinem Verhältnis stehenden Aufwands bei allen einzelnen Zahlstellen ist zudem eine einmalige und zentrale Erfassung der notwendigen Daten an einer Stelle (z.B. bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder den Pflegeversicherungsträgern) dringend zu empfehlen. Im Zuge einer effizienten und digitalisierten Datenhaltung ist dann die Weiterverarbeitung im Rahmen eines zentralen Meldeverfahrens zu ermöglichen.